Der Taucher, der dem Meer nicht traut.

Überblick

Stell dir vor, du gehst zum ersten Mal tauchen. Du wirst in einen Taucheranzug gesteckt. Der Neoprenanzug sitzt eng und die Sauerstoffflasche ist schwer. Mit deinen Paddeln läufst du unbeholfen auf dem Schiff und die Taucherbrille engt deine Sicht ein. 

Genauso kommen wir auf die Welt und finden uns in diesem klobigen Körper wieder. Er ist schwer, braucht Nährstoffe zum Überleben und die Haut drumherum sitzt eng. Vorbei sind die Tage, in denen wir uns um körperliche Krankheiten sorgen brauchten.

Nun sind wir Götter mit Arschlöchern.

Boot

Wir sitzen mit unserer Taucherausrüstung an der Reling. Hinter uns unbekanntes Gewässer. Wir wissen nicht, was uns erwartet, aber wir sehnen uns danach, etwas zu erfahren, was uns an Land nicht möglich ist. Unser Tauchlehrer prüft ein letztes Mal unseren Anzug. „Ich bin hier oben. Du brauchst keine  Angst zu haben, weil ich über Funk mit dir ständig in Kontakt bin“.

Wir nicken, aber ahnen nicht, wie oft wir uns einsam fühlen werden. 

Ein letztes Mal atmen wir klare Luft an diesem Morgen ein. Wir wissen es noch nicht, aber wir werden Jahre dort unten leben. In einer Welt, die wir nicht kennen. Mit dem Ziel, uns selbst zu erfahren.

Leicht stößt der Tauchlehrer unsere Schulter und wir fallen rücklings die Reling hinunter. Wir reißen die Augen weit auf und schreien vor Schmerzen. Nie zuvor haben wir Kälte erfahren. Wie kleine Nadeln sticht sie in unsere Haut. Gräbt sich tiefer, bis in unsere Knochen. Nie zuvor haben wir Dunkelheit erfahren. Ein Schleier, der sich über unsere Augen legt und uns blind macht.

Nie zuvor haben wir Einsamkeit gefühlt.

alleine im meer

Wir strampeln umher und versuchen, in den neuen Elementen zurechtzukommen. Es ist eine viel trägere Dichte, in der wir nun leben. Früher konnten wir die Moleküle tanzen sehen. Nun wirkt alles so behäbig und starr. Wo ist die Lebendigkeit in allen Dingen?

Wir schauen  uns um und sehen Dorsche, Makrelen und einen Schwarm von Heringen. Sie sind ganz anders als wir. Wie ist dies möglich? Wie kann sich der Schöpfer dermaßen begrenzen und sich mit einem triebgesteuerten Körper begnügen?

Wir atmen ruhiger und langsam steigt unsere Neugierde. Wir schwimmen schneller und schlagen Purzelbäume. Wow, diese Welt kann Spaß machen! Wir trauen uns, glitschige Algen anzufassen und sind erstaunt über die Farbenpracht der Korallen. Immer tiefer tauchen wir hinab in eine sonderbare Welt.

In der Beziehung zu ihr lernen wir mehr über uns selbst. Diese Welt ist ein einziger Spielplatz!

Bis zu diesem einen Tag… Wir näherten uns einem Stachelrochen, der galant durch das Wasser schwebt. Wir strecken entzückt unsere Hand nach ihm aus und in Sekundenbruchteilen schnellt seine Schwanzspitze empor und durchbohrt unseren Neoprenanzug. Sein Gift verteilt sich erbarmungslos in unseren Venen.

Wir schreien vor Schmerzen auf und unsere Taucherbrille füllt sich mit Tränen.

schmerz meer Niemand ist da, der uns schützt. Unser Lehrer ist weit entfernt und kann nicht eingreifen. Wir haben die Orientierung verloren und wissen nicht mehr, wie wir zurückkommen sollen. Zum ersten Mal begreifen wir, dass wir aus diesem Spiel nicht entfliehen können…

An diesem Tag lernen wir, dass wir verwundbar sind.

Unser Körper heilt, aber in unserem Denken taucht eine Stimme auf, die uns warnt und vor Gefahren beschützen möchte. Wir ziehen uns zurück. Bauen eine Höhle, in der wir uns in Sicherheit wiegen. Vergangen ist die Faszination. Vergessen ist unsere Mission. Wir kämpfen um unser Überleben!

Unser Blick für die Schönheit um uns herum wird getrübt. Denn hinter jeder bunten Koralle könnte ein weißer Hai lauern… Wir beginnen, unsere Vorstellungskraft zu nutzen, um Gefahren vorauszusehen. Endlos malen wir uns aus, was schief gehen könnte, um darauf im Vorfeld zu reagieren. Dies merken wir irgendwann nicht mehr. Wir bleiben in unserer sicheren Umgebung und tauchen tiefer ab in eine geistige Illusion des Meeres.

Seitdem leben wir nicht mehr im Meer, sondern nur noch in der Vorstellung über das Meer.

Die Stimme unseres Lehrers hören wir nicht mehr. Wir sind abgelenkt von unseren Ängsten. Irgendwann vergessen wir, dass wir aus einer anderen Welt kommen. Wir gewöhnen uns an die Kälte und Isolation. Wir denken nicht mehr an den Zweck unserer Reise.

meer denken

Wir beginnen ausschließlich Veränderungen zuzulassen, die wir überblicken können. Es bleibt damit kein Platz mehr für Wunder. Die Angst, verstehen zu müssen,  peitscht uns voran. Auf diesem Weg wird unser Leben trist und farblos. Das grenzenlose Meer wird kleiner und kleiner. Hauptsache, wir verstehen es. Können es überblicken und Gefahren im Vorfeld beseitigen…

Ohne es zu merken, werden wir trauriger. In diesen Momenten sind wir still und leise hören wir eine Stimme. Es ist die Stimme unseres Tauchlehrers, der uns leitet: „Fürchte dich nicht. Ich bin bei dir. Vertraue!“

Manchmal hören wir auf ihn. Dann verlassen wir unsere Höhle, schließen die Augen und lassen uns von dem Meer auffangen. Wir fühlen uns getragen und lieben es. Ist nicht dieses Gefühl der Grund warum wir hier unten sind?

meer vertrauen

Mit diesem Vertrauen tauchen wir tiefer und tiefer und sehen Schönheiten und Schätze, die sich unserer größten Vorstellungskraft entziehen.

Wir erinnern uns, dass wir uns dazu entschlossen haben, hier unten zu leben. Denn alle Wunden heilen und alle Gifte schwinden. 

Wir beginnen, uns neu zu verlieben. Nicht in diese Welt mit ihren Farben und Formen. Sondern in das Gefühl des Vertrauens.

Einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen. 

In Liebe und Vertrauen, dein

Fabian

Titelbild ©Jeremy Bishop, Marcelo Quinan, Julian Svoboda, Christopher Campbell

Mehr solcher Geschichten gibt es in meinem Buch. Einer meiner beliebtesten Gesichten ist das Lebensrestaurant®.

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